Projekt 11. Klassen und Internationaler Klassen
In einem emotionalen Projekt zum Thema Flucht und Vertreibung konnten Schüler*innen der 11. Klassen und der Internationalen Vorklassen unserer Schule aktiv an einem Austausch zwischen verschiedenen Generationen und zwischen Ausländern bzw. Flüchtlingen und Ortsansässigen teilnehmen und somit zur besseren Verständigung, dem Abbau von Vorurteilen und damit guten Voraussetzungen für eine bessere Integration beitragen.
Organisiert von den Lehrkräften Benjamin Wythe, Jana Frantz und Renate Kotiers umfasste das Projekt drei Unterrichtstage. Zunächst wurde mit einer Filmvorführung im Kino Utopia ein sensibler Einstieg in das Thema Flucht gefunden. Der Film „Lauf Junge lauf“ von Pepe Danquart zeigt die Geschichte eines kleinen Jungen, der aus dem Warschauer Ghetto fliehen kann und sich in der Folge alleine durchschlagen muss. Der Film, dessen Handlung auf wahren Begebenheiten aus dem Leben von Yoram Fridman beruht und dessen Leid zeigt, berührte die Schüler*innen sehr und deshalb war eine Besprechung zunächst in Gruppen und dann im Plenum sehr wichtig, um die Eindrücke zu verarbeiten.

Am zweiten Tag berichteten von Flucht und Vertreibung betroffene externe Gäste und Schüler*innen der Internationalen Vorklassen von ihren Erfahrungen. Stefan Frank, Geschäftsführer eines Jugendwohnheims in München, und Jonah Werner (Athletes for Ukraine) berichteten über ihr Engagement bei Athletes for Ukraine und ihre persönlichen Erfahrungen bei Hilfslieferungen in die Ukraine, bei denen nicht nur materielle Not, sondern vor allem emotionale menschliche Krisen, wie Todesnachrichten, die von Angehörigen verarbeitet werden müssen, aus nächster Nähe spürbar werden. Veronika Risorana, eine 16-jährige Schülerin aus Kiew, welche selbst vor einem Jahr fliehen musste, begleitete die Vorträge mit eigenen Liedern auf Ukrainisch, in welchen sie ihre Situation verarbeitet. In einem Podiumsgespräch kamen noch weitere Betroffene zu Wort. So berichteten Khaled Al Fashtakey und Amal Alebrahim, beide Schüler unserer Schule, von ihren Erfahrungen. Khaled wurde in Libyen in einer syrischen Familie geboren und überstand die Flucht teils mit Bus, teils zu Fuß durch Algerien und Marokko, die Trennung der Familie und auch körperliche Misshandlungen. Amals Familie musste vor dem Druck durch den IS fliehen und kam über gefährliche Wege und ebenfalls Trennung der Familie nach Deutschland. Doch nicht nur junge Menschen kamen zu Wort. Ingrid Kröff, 85 Jahre, berichtete davon, wie sie als Kind 1945 aus dem Sudetenland vertrieben wurde, von wo sie kaum etwas mitnehmen konnte. Sie landete über Umwege in der damaligen sowjetischen Besatzungszone und flüchtete später erneut, diesmal aus der DDR, in den Süden der BRD. Alfred Linke, 88 Jahre, konnte als Kind noch seine Schwester und drei Freundinnen vor den Sowjets retten, wurde dann mit seiner Familie ebenfalls vertrieben und kam dann direkt nach Rosenheim. Als er bei der Ankunft am Bahnhof die Berge sah, fühlte er sich seiner sudetendeutschen, ebenfalls bergreichen, HomHeimat nah. Nachdem auch noch tschechische Grenzbeamte damals die besten Teile seiner Gepäckstücke konfisziert hatten, stand er wie die meisten Vertriebenen quasi mittellos vor dem Neuanfang. Dennoch sind sowohl er als auch Ingrid Kröff immer noch sozial engagiert in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und setzt sich bei Projekten wie hier an der FOSBOS Wasserburg aktiv für Verständnis und Austausch ein. Er appelliert an die Jugend, sich zu integrieren und in die Gesellschaft einzubringen, und trotz allem keinen Hass zu hegen.

Alle Referent*innen, sowohl die jüngeren, als auch die älteren, mussten teilweise ihre Erzählungen unterbrechen, weil die emotionalen Erinnerungen wieder wach wurden. Allen war gemein, dass sie sich fast auf die Minute genau daran erinnerten, wann sie zur Flucht aufgebrochen oder in Rosenheim angekommen sind und dass sie ihre Heimat aufgeben und sich in einer fremden und nicht immer unbedingt wohlwollenden Umgebung etwas Neues aufbauen mussten.
Die Schüler*innen waren sichtlich betroffen und setzten dies am letzten Projekttag in aktives Handeln um. So erarbeiteten sie mit ihren Lehrkräften Material für den Unterricht im Fach „Politik und Gesellschaft“ bzw. Geschichte. Alle arbeiteten sehr konzentriert, weil sie das Thema als sehr wichtig empfanden. Trotz der Schwere des Themas habe es ihnen aber auch Spaß gemacht, sich damit zu beschäftigen, so die Aussagen vieler Teilnehmer*innen. Das Projekt mit dem Perspektivwechsel in die Rolle von Geflüchteten trug dazu bei, dass unsere Schule ihrer Aufgabe, als öffentlicher Ort auch für die Aufarbeitung gesellschaftlicher Themen zu sorgen, in einer sehr besonderen Weise nachgekommen ist.
Artikel geschrieben am 25.07.2023 von Ingeborg Huber, (Pressebeauftragte) und Benjamin Wythe (Organisator des Projekts, Lehrkraft)